EPU-Netzwerke, Coworking und New Work

Über neue Arbeitswelten

Seit Beginn meiner Selbständigkeit bin ich es gewohnt, in autonomen und kooperativen Strukturen zu arbeiten. Ich wurde Mitglied in einer Bürogemeinschaft für angewandte Sozialforschung und Organisationsentwicklung. Derartige Gemeinschaften, vor allem von Kreativen und Berater*innen, gab es im Salzburger Andräviertel schon lange, bevor „Coworking“ erfunden wurde.

Dass EPUs im Rahmen kooperativer Netzwerke als gemeinsame Organisation agieren können, zeigt das Beispiel unserer Genossenschaft conSalis, einem Zusammenschluss von selbständig Tätigen zur Vermarktung und Abwicklung gemeinsamer Aufträge und Projekte. Damit haben wir zur Auffrischung des alten und ein wenig verstaubt erscheinenden Genossenschaftsgedankens beigetragen. Dass man in vielen Fällen als „Gruppe“ mehr kann als „alleine“, praktizieren wir seit vielen Jahren. Allerdings ist auch das Anforderungsprofil entsprechend: In einer derartigen Arbeitswelt ist neben fachlicher Kompetenz Professionalität und Erfahrung aller Beteiligten in den Bereichen Kommunikation, Zusammenarbeit, Marketing und Projektabwicklung von Bedeutung.

Der Slogan „Gemeinsam.selbständig.arbeiten“, wie er Romy Sigls erfolgreichen Coworking Salzburg in Itzling prägt, ist treffend für einen anhaltenden Trend. Eine wachsende Anzahl an EPUs mit Laptop möchte nicht „allein zu Haus“, sondern in „Gemeinschaft“ arbeiten.

Die Motive von Coworker*innen zeigen sich am Beispiel des im Sommer 2021 im steirischen Bad Mitterndorf eröffneten „Färberhaus“ (www.dasfaerberhaus.at) an dessen Initiierung ich mitwirken durfte: Es geht um gemeinschaftliche Strukturen für EPUs, auch für Freelancer großer Unternehmen, die weder Lust auf aufwendiges Pendeln in eine Firmenzentrale noch auf Homeoffice haben und dafür die Struktur eines Coworkingspace nutzen.

Es geht auch um Gäste in der Tourismusgemeinde, die „zwischendurch“ den Ort nutzen. Mit Coworkingspaces verbindet sich eine wichtige Qualität neuer Arbeitswelten für kreative EPUs: Es geht nicht primär um die Nutzung technischer Infrastruktur, denn das ist eine Selbstverständlichkeit. Es geht darum, Teil einer Community sein zu können, die Austausch, soziales Leben, Kontakte und Anregungen in einer offenen Atmosphäre ermöglicht.

Wie sehr derartige Arbeitswelten noch immer dem Wahrnehmungsradar mancher Wirtschaftskammerfunktionäre „entkommen“ zeigt das Beispiel der „Gemini-Start Up-base“ in Hallwang (www.gemini.co.at). Vor einigen Jahren hat sich der technische Erfinder Florian Reininger in den Kopf gesetzt, einen gemeinsamen Ort für Kreative, Entwickler*innen und Handwerker*innen zu schaffen und er hat dafür ein ehemaliges Gewerbegelände in Hallwang gefunden. Nach dreijähriger Aufbauarbeit nutzen nun auf insgesamt 6.000 m² derzeit ca. 150 Personen bzw. 50 Kleinstunternehmen das Gelände: vom EPU-Berater rund ums 3D-drucken oder einer Spezialtischlerei bis zu einem „Otelo“ in Kooperation mit einem Jugendprojekt. Inzwischen scheint sich Florian Reininger sprichwörtlich zu einem „Biotop-Manager“ entwickelt zu haben: Er stellt nicht nur Werkstätten, Büroräume und Infrastruktur zur Verfügung. Er schafft auch Gemeinschaftsflächen für Austausch und ein soziales Leben. Das Beispiel zeigt, was mit einem Gewerbegelände alles möglich ist, auch wenn man das, was dort geschieht, eher in Kalifornien als in Hallwang vermuten würde.

Nicht zuletzt entstehen neue Arbeitswelten auch in digitalen Start Up-Unternehmen, deren Inhaber*innen bewusst einen neuen Stil im Sinne von „New Work“ pflegen, was in hoher Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter:innen seinen Ausdruck zu finden scheint. Nicht zuletzt spielt dabei auch eine förderliche räumliche Gestaltung von Arbeitsplätzen abseits von Einzelzimmern und Großraumbüros eine Rolle, wie sie vom Salzburger Designunternehmen „AREA“ in den Salzburger Digitalunternehmen „Elements“ oder „PixelArt“ gestaltet wurden. Die genannten Beispiele waren und sind Teil unserer Reise zu neuen Arbeitswelten, wie etwa auch zur Firma „Hotelkit“ im Stadtwerk Lehen, die wir seit 2021 unter dem Titel „Fair & Creative“ (www.faircreative.at) in Kooperation mit dem Career & Startup Center der Universität Salzburg Studierenden und anderen Interessierten anbieten.


Fotos: Moritz Hübl / Das Färberhaus

Der Beitrag erscheint in:
#SO GEHT´S. Magazin für nachhaltiges Wirtschaften 01/2022

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

%d Bloggern gefällt das: