Warum Reduktion in Gruppen oft mehr ermöglicht als jedes Konzept
In der Begleitung von Menschen, Gruppen und Prozessen gibt es heute eine große Bandbreite an Haltungen, Modellen und Methoden. Oft stecken viel Sinn und Erfahrung darin, und gleichzeitig kann sich auch dort wieder ein gewisser Dogmatismus einschleichen:
So sollte man das jetzt machen. So ist es richtig.
Auf meiner umfangreichen Reise durch verschiedenste Aus- und Fortbildungen, Symposien, Kongresse und Konferenzen wurde ich im Sommer 2023 mit einer aus meiner Sicht völlig missverstandenen „matriarchalen“ Bewegung konfrontiert. Was in der Theorie inspirierend und gleichwürdig wirkt (etwa Gemeinschaft auf Augenhöhe, zyklisches Denken, Fürsorgestrukturen), erwies sich in der Praxis als schwierig. Statt Offenheit begegneten mir Hierarchien und Ausgrenzung.
Nach dieser Erfahrung wuchs in mir zunehmend die Frage:
Was braucht es – wirklich?
Diese Frage prägt meine Arbeit – in Gruppen wie in Einzelbegleitungen.
In Gruppen versuche ich, mit möglichst wenig Vorgabe zu arbeiten: reduzierter Rahmen, klare Einladung, viel Raum für Selbstverantwortung. Die Erfahrung zeigt, dass gerade dadurch oft tiefere, nachhaltigere – weil selbstverantwortlichere – Prozesse entstehen.
Es geht nicht darum, alles offenzulassen, sondern Orientierung zu geben, ohne das Erleben zu steuern oder vorbestimmte Ergebnisse erzielen zu wollen. Genau darin liegt auch die Herausforderung meiner Arbeit als Trainerin, Moderatorin oder Prozessbegleiterin: zwischen Freiheit und Halt zu balancieren.
Zunehmend wuchs in mir die Idee, Menschen in größtmöglicher Freiheit zusammenzubringen. Was ich im August dieses Jahres umgesetzt habe.
Am Eingang stand die Frage: „Wie betrittst du diesen Raum?“
In der Mitte des Raumes stand ein Blumenstrauß, und es lagen Steine herum, auf denen menschliche Grundbedürfnisse standen (siehe Foto). Sonst nichts. Kein Sesselkreis – nur Stühle am Rand, genauso wie Matten, Pölster und Decken.
Schon die eigene Verortung im Raum war die erste Einladung zur Selbstwahrnehmung.
Eigentlich begann es bereits mit der Ankunft: Auch diese war offen – komm so, wie es für dich gut in den Tagesablauf passt, und es wird richtig sein.
Und so ging es weiter.
Kein Programm, kein Ablauf, keine Leitung.
Der Raum wurde geöffnet und das, was darin geschah, entwickelte sich aus der Gruppe.
Chaos als Ursprung
Was da war, war Chaos – nicht als Störung, sondern als offener Möglichkeitsraum.
Im ursprünglichen Wortsinn: Weite, Leere, der Urzustand, aus dem sich alles entwickelt.
Es entstanden Gespräche, Coachings, Familienaufstellungen, Meditationen, ein Klangbad – und gleichzeitig gingen manche in den Teich, zogen sich zurück, gingen in sich, um dann wieder in Beziehung zu treten.
In all dieser Freiheit liegt ein Schlüssel für Selbstverantwortung.
Wie begegnen sich Menschen, wenn nichts vorgegeben ist?
Im Zentrum steht oft der Umgang mit Widersprüchen:
• Nähe und Distanz
• Impuls und Innehalten
• Freiheit und Struktur
• Sein dürfen – und andere sein lassen können
Diese Spannungen lassen sich nicht auflösen, aber sie lassen sich bewusst bewohnen. Dort entsteht Raum für echtes Spüren, Begegnung und Entwicklung.
Was bleibt
Die erlebte Selbstwirksamkeit und die Auseinandersetzung mit den eigenen inneren Ambivalenzen brachten für alle Teilnehmenden eine Form von Selbstermächtigung, die in ihren Alltag hineinwirkt.
Aus der Gruppe heraus entwickelte sich in den letzten Wochen der Wunsch nach einer Fortsetzung, der Raum ist schonmal gebucht, alles andere noch offen:
14./15. März, im Seminarhof Schleglberg in Rottenbach bei Haag am Hausruck
(Bei Interesse schreibt mir gerne ein Mail an elisabeth.vogl@consalis.at)
